Autor
Andrea Amthauer
Senior User Experience Architect
bei SYZYGY Techsolutions
Lesedauer
4 Minuten
Publiziert
6. Juni 2023
In der heutigen Arbeitswelt sind Kreativität, Eigeninitiative, lösungsorientiertes Denken und Teamfähigkeit unerlässlich. Doch wie entwickelt ein Mensch diese Fähigkeiten? Und wie bereiten Schulen unsere Kinder auf die Anforderungen der Arbeitswelt von morgen vor? Als Senior UX Architect bei SYZYGY Techsolutions möchte ich mit einem Konzeptionskurs an einer Bad Homburger Grundschule einen Beitrag zur Förderung wichtiger Schlüsselkompetenzen bei Kindern leisten.
Die Digitalisierung verändert unsere Arbeitswelt in einem rasanten Tempo. Viele Berufe sind von Automatisierung und künstlicher Intelligenz bedroht, während sich gleichzeitig neue Möglichkeiten und Chancen für Menschen mit entsprechenden Fähigkeiten ergeben. Kreativ und flexibel zu denken und dabei unkonventionelle Lösungen zu finden, wird immer wichtiger. Kritisches Denken befähigt uns, Inhalte und Lösungen zu bewerten und künstliche Intelligenz gezielt und sinnvoll einzusetzen. Durch Eigeninitiative können wir Veränderungen und Herausforderungen in Chancen verwandeln.
SYZYGY Techsolutions fördert die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen bereits in verschiedenen Initiativen. So kam mir die Idee, im Namen meines Arbeitgebers einen UX-Kurs an meiner örtlichen Grundschule anzubieten, dessen Schwerpunkt aber nicht – wie sonst an Schulen üblich – die Programmierung, sondern die Vermittlung von Kreativmethoden sein sollte. Die Schulleitung und das Lehrer-Team der Paul-Maar-Schule in Bad Homburg nahmen die Idee für einen solchen Kurs begeistert an. Die Schule ist offen für innovative Ansätze und setzt sich für eine zukunftsorientierte Förderung ihrer Schüler:innen ein.
Als übergreifendes Thema einigten wir uns auf eine digitale Vorstellung der Paul-Maar-Schule. 12 Kinder im Alter von 9 bis 10 Jahren konnten am Kurs mit 5 Einheiten teilnehmen. Für alle weiteren Kinder wollten wir eine Möglichkeit schaffen, sich ebenfalls am Projekt zu beteiligen. So entstand die Idee, innerhalb der Kursstunden die inhaltliche Struktur des Projekts mit entsprechenden Einstiegsseiten und Navigation zu entwickeln, während die Inhalte selbst von allen 50 Kindern des Jahrgangs beigesteuert werden sollten.
In den ersten beiden Terminen sammelten die Kinder Ideen und Inhalte für die Vorstellung ihrer Schule und sortierten und priorisierten sie. Dabei lernten sie Methoden kennen, die wir auch in Kunden-Workshops regelmäßig anwenden: Affinity Diagramming und Mindmapping. Die Kinder erkannten, dass Ideen-Entwicklung ein aktiver Prozess ist, der durch eine gezielte Vorgehensweise unterstützt werden kann. Eine weitere wichtige Erkenntnis in diesem Zusammenhang: Wir fangen – auch im digitalen Kontext – mit Papier und Stift an, um uns in dieser Ideen-Phase auf inhaltliche Aspekte konzentrieren zu können.
Das Ergebnis dieser ersten Kurseinheiten war eine inhaltliche Struktur in Form einer Mindmap. Weiterhin entstanden bereits erste Scribbles mit Ideen zur Ausgestaltung einzelner Interfaces, die von den Kindern präsentiert und diskutiert wurden. In diesem kommunikativen Austausch entstanden viele weitere Ideen, die dann in kleinen Teams gemeinsam ausgearbeitet wurden. So lernten die Kinder auch die Vorteile von Sparring und Teamwork kennen.
In den nächsten Kurseinheiten erarbeiteten wir Konzepte für einzelne Kategorien wie „Unterricht“ und „Pause“. Dafür gestalteten die Kinder Wireframes – genauso wie wir dies bei Techsolutions für verschiedene Kundenprojekte tun – wenn auch analoger Form. Interaktionswege definierten wir, indem wir Buttons auf einzelne Screens zeichneten und diese mit Pfeilen verbanden. In dieser Einheit wurde ich von den Kindern überrascht: So schlugen sie mit einer absoluten Selbstverständlichkeit Touch-Gesten für die mobile Umsetzung vor und machten mich darauf aufmerksam, dass vorgesehene Desktop-Hover-Effekte auf dem iPad nicht funktionieren würden. Wie toll, wenn Kinder diese bereits erworbene Digitalkompetenz in einen aktiven Gestaltungsprozess einbringen können!
Anschließend ging es darum, auf Basis der angefertigten Scribbles Bildmaterial für die geplante Umsetzung in Scratch zu produzieren. Scratch – eine Programmiersprache für Kinder – hatten die Kinder bereits in anderem Zusammenhang kennengelernt. So fotografierten die Kinder Räume, Gegenstände und Gemälde am Gebäude, um diese im Anschluss digital aufzubereiten. Für andere Kategorien wie „Sport“ oder „Pause“ zeichneten sie auf Papier oder direkt digital die benötigten Bildelemente. Die Entscheidung über eine geeignete Umsetzungsmethode für jede Kategorie blieb dabei den Kindern selbst überlassen.
In der nächsten Einheit erstellten wir exemplarisch Inhalte und Interaktionen in Scratch und ernannten Paten, die die Mitschüler:innen bei der Erstellung weiterer Inhalte unterstützen würden.
Zum Kursabschluss fand eine gemeinsame Präsentation vor der Jahrgangsstufe statt, in der die Kinder ihre Ergebnisse vorstellten und den Mitschüler:innen ihre Aufgabe – die Erstellung der einzelnen Inhalte und entsprechende Rahmenbedingungen – erklärten.
Die vorab besprochenen Regeln wurden zusätzlich als Leitfaden überreicht.
Das Ergebnis ist ein tolles Projekt, auf das alle Beteiligten sehr stolz sind. Die Kinder haben gelernt, dass digitale Geräte nicht nur zum Konsumieren von Inhalten, sondern auch zum aktiven Gestalten genutzt werden können. Sie haben Einblicke in den Bereich der User Experience erhalten und gelernt, dass für digitale Projekte Konzeption, Gestaltung und Programmierung gleichermaßen relevant sind. Die Aussage: „Achso, dann setzen die Programmierer ja das um, was Du Dir ausgedacht hast – das ist ja cool!“ lässt auf eine positive Bewertung des UX-Bereichs schließen und führt vielleicht das ein oder andere Kind zu einer entsprechenden Berufswahl.
Es wäre wünschenswert, dass sich auch andere Bildungseinrichtungen – unabhängig vom Alter ihrer Schülerinnen und Schüler – offen für Methoden aus der beruflichen Praxis zeigen. Da diese Methoden einen wertvollen Beitrag zur Förderung wichtiger Kompetenzen leisten, ist es durchaus sinnvoll, sie vermehrt in Unterrichtskonzepte zu integrieren.
Und hier geht’s zum Projekt : https://scratch.mit.edu/projects/859222130
“Wenn man Kindern Freiräume für ihr eigenes Lernen gibt und sie weniger belehrt, ermöglicht man nicht nur Kreativität und das Entdecken eigener Potenziale, sondern fördert auch die Übernahme zur Eigenverantwortung.”
Jeanette Werner und Christian SlimistinosSchulleiterin / Lehrkräfte an der Paul-Maar-Schule
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