Autor
Andrea Amthauer
Senior User Experience Architect
bei SYZYGY Techsolutions
Lesedauer
7 Minuten
Publiziert
7. April 2022
Erfreulicherweise gehört die Entwicklung einer maßgeschneiderten User Experience heute zum Standard – zumindest was Websites und Applikationen anbelangt, die nach außen wirken. Was die typischen In-House-Tools angeht, sieht es oft anders aus. Hier regiert häufig noch “Developers Art”. Wie wichtig aber eine maßgeschneiderte UX gerade auch für interne Business-Anwendungen ist, kann gar nicht hoch genug bewertet werden – werden diese Anwendungen doch tagtäglich für die wichtigsten Arbeitsprozesse genutzt.
Optimierungen der User Experience haben hier ein besonders großes Potential, die Zufriedenheit und Produktivität der Anwender zu steigern und unter dem Strich für eine bessere Gesamtperformance von Menschen und Werkzeug zu sorgen. Ein Investment in diesem Bereich zahlt sich also in jeder Hinsicht aus.
Usability & Accessibility sind für eine gute Interaktion in Business-Anwendungen besonders wichtig: Komplexe Zusammenhänge einfach gestalten, Nutzer so schnell und komfortabel wie möglich ans gewünschte Ziel führen – die beste UX ist auch hier die, die der Nutzer nicht bemerkt. Doch was konkret macht eine gute User Experience für Formulare im B2B-Kontext aus?
Leitlinien für gutes Formulardesign existieren zahlreich, beziehen sich aber oft auf Anwendungen für den Endkunden. Vor allem Login- und Checkout-Prozesse sind Gegenstand intensiver Untersuchungen, da Nutzer-Abbrüche sich hier direkt auf die Umsatzzahlen von Unternehmen auswirken. Auf Konferenzen werden regelmäßig neue Einzelbeispiele vorgestellt, die solide durch A/B-Tests validiert sind.
Ergebnisse solcher Untersuchungen sind aber nicht ohne Weiteres auf Formulare in Business-Anwendungen übertragbar – auch wenn sie oft als allgemeine Leitlinien für gutes Formulardesign betitelt werden. Natürlich gibt es einige Basis-Regeln, die für Business- Applikationen genauso wie für Web-Formulare eine Rolle spielen. Eine übersichtliche Struktur, klare visuelle Zuordnungen und eindeutige Kennzeichnungen vereinfachen die Interaktion mit jedem Formular.
Auch für die Ausrichtung von Labels, die Darstellung von Platzhaltern und eine eindeutige Pflichtfeldauszeichnung können die allgemein bekannten Leitlinien zu Rate gezogen werden.
Genauso sollte auch die Einhaltung von bekannten Accessibility-Standards im B2B-Umfeld die Regel sein. Ausreichend Kontraste und gut lesbare Typografie gehören überall zum Mindeststandard.
Reduktion auf das Wesentliche?
Formulare auf die wichtigsten Abfragen zu reduzieren, ist eine der wesentlichen allgemeinen Grundregeln zur Formulargestaltung. Private Nutzer wollen möglichst wenige Daten preisgeben – zum einen aus Datenschutz-Aspekten, zum anderen aus Bequemlichkeit.
Es ist klar, dass der Grundsatz „Reduktion auf das Wesentliche“ für Business-Anwendungen so nicht gelten kann. Schließlich haben Anwender im Business-Kontext explizit das Ziel, möglichst viele Daten – die zudem nicht ihre eigenen sind – zu erfassen, um so ein möglichst umfängliches Bild eines Unternehmenskunden zu zeichnen.
Im Business-Kontext geht es also nicht um eine Reduktion von Abfragen, sondern darum, Felder gut zugänglich und Eingaben besonders einfach zu machen. Eine gute inhaltliche wie auch visuelle Struktur ist hier besonders wichtig.
Oft besteht von Seiten der Nutzer die Anforderung, zusammengehörige Inhalte auf einem einzigen Screen gebündelt zu bearbeiten und einzusehen. GUI-Elemente wie Anker können in einem solchen Fall helfen, schnell zu einem bestimmten Inhalt zu springen.
Um die Höhe eines Screens mit vielen Feldern überschaubar zu halten, bietet sich ein zweispaltiges Design an. Einspaltige Formulare sind zwar visuell leichter zu erfassen – dies spielt aber vor allem für Erstkontakte mit einem Interface, wie etwa beim Erstellen eines Accounts, eine Rolle. Da Business-Nutzer täglich mit denselben Formularen arbeiten, ist für sie eine kompakte Ansicht, die die volle Breite des Bildschirms nutzbar macht, sinnvoller.
Klappbare Sektionen können helfen, die visuelle Komplexität in umfangreichen Formularen auf Wunsch des Nutzers zu reduzieren. Sinnvoll ist in jedem Fall das Berücksichtigen von Abhängigkeiten. Felder und Sektionen, die erst nach der Eingabe eines bestimmten Wertes relevant werden, müssen initial nicht zu sehen sein. Hier sind aber Auswirkungen aufs Speicherkonzept zu bedenken.
Multitasking
Im Customer-Umfeld sollte der Fokus des Anwenders rein auf der Dateneingabe liegen. Jede Ablenkung könnte zu einem Abbruch des Prozesses führen und ist daher zu vermeiden.
Im Business-Umfeld ist es normal, dass zeitgleich zur Arbeit an einem Formular andere Vorgänge ausgeführt werden. Mitunter bearbeitet ein Nutzer zeitlich parallel mehrere Kunden oder Vorgänge. Häufige Kontextwechsel, Rücksprünge und Wiedereinstiege sollten also bestmöglich unterstützt werden.
Auf die kontextspezifische Navigation, welche parallel zur Arbeit im Formular immer verfügbar sein sollte, ist dabei besonderes Augenmerk zu richten. Stets verfügbare Navigations-Elemente in einem sticky Header sorgen für eine gute Orientierung, schnelle Wechsel und einen einfachen Direkteinstieg in hierarchische Informationsstrukturen. Smarte Interaktions-Elemente im Formular, wie z.B. intelligente Ausfüllhilfen zum einfachen Kopieren von Daten, aus anderen Seiten, machen Kontextwechsel unnötig.
Individuelle Features
Im Business-Kontext interagieren Nutzer tagtäglich mit denselben Formularen. Dies ist von Vorteil, da neben bekannten Design-Patterns auch neue, erlernbare Lösungen zum Einsatz kommen können. Neben den bekannten Faktoren wie schnelle Bedienbarkeit durch Tastatursteuerung und sinnvolle Defaults kann also mit individuell zugeschnittenen Elementen ein echter Produktivitätssprung erreicht werden.
Auch erfordern einige Business-Cases eigens zugeschnittene Elemente. Bekannte Patterns können im Arbeitstool aufgeweicht werden, wenn sie inhaltlich Sinn machen.
Um den Nutzer nicht zu überfordern, ist hier ein sinnvolles Maß gefragt.
Kollaboration und Datenspeicherung
Ein besonders wichtiger Aspekt für Formulare im B2B-Bereich ist die Kollaboration mit Kollegen. So werden Daten teils gemeinsam, zeitgleich und abteilungsübergreifend eingepflegt – und auch gelesen bzw. ausgewertet. Diese Tatsache muss in der Ausgestaltung eines Formulars sowie im Speicherkonzept berücksichtigt werden. Auf Aspekte dazu möchte ich demnächst in einem weiteren Artikel eingehen.
Fazit:
Allgemeine UX-Regeln orientieren sich häufig an Erkenntnissen aus dem Customer-Bereich und gelten daher zur Formulargestaltung für Business-Anwendungen nur bedingt.
B2B-Applikationen bilden naturgemäß individuelle Geschäftsprozesse ab und sind daher mit speziellen Anforderungen verbunden.
Das gezielte Zuschneiden einzelner Features auf individuelle Anforderungen ist im Business-Kontext besonders gut möglich, da Nutzer durch den wiederholten Umgang mit Formularen dazulernen. Maßgeschneiderte Lösungen bieten im Business-Umfeld ein besonders großes Potential im Hinblick auf Produktivitätssteigerungen und Anwenderzufriedenheit.
Die Wertschätzung einer passgenauen UX ist Teil der DNA von SYZYGY Techsolutions. Der Nutzer steht im Mittelpunkt unserer Lösungen. Ganz egal, ob Web-Shop, Car-Konfigurator oder CRM-Lead-Management-Prozess.
Stephen OelgrayHead of Delivery – SYZYGY Techsolutions
Head of Delivery